Verwandlungen, Fragmentieren, Freilegen und Verdecken von Informationen sind wesentliche Merkmale im Werk von J. MAYER H.Schon seit Beginn seiner künstlerisch-architektonischen Arbeit sammelt Jürgen Mayer H., Gründer von J. MAYER H. Architekten, Datensicherungsmuster, die normalerweise vertrauliche Informationen verbergen. Diese Muster verwendet er in veränderter Form in seinen Rauminstallationen und Fassadenentwürfen. Aus den zweidimensionalen Mustern heraus entwickelt J. MAYER H. Ansätze für seine skulpturale und räumliche Gestaltung, in der die so verwendeten Muster die Funktion einewr graphischen Hülle erfüllen.

Schon in der Auswahl der Datensicherungsmuster als auch bei deren anschließender Verwendung stellt sich das Spielerische als ein wesentlicher Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit heraus. In der Ausstellung RE.FLECKS legt J. MAYER H. ein camouflageartiges Datenmuster zugrunde, das durch Transformation in verschiedenen Formzuständen gezeigt wird. Einige von ihnen werden auf Bildtafeln gezeigt, die als eine Referenz auf den vom Schweizer Pyschoanalytiker Hermann Rorschach entwickelten Rorschach-Testes gelesen werden können.

Rorschach liebte schon als Kind ein Spiel, das er “Klecksografie” nannte. Hierbei wird Wasserfarbe oder Tinte auf ein Papier getropft, welches anschließend in der Mitte zusammengefaltet wird. Da die Farbe noch feucht ist, bildet sich auf der anderen Seite ein Abbild der betropften Seite. Man meint eine Fledermaus, einen Schmetterling oder auch Lungenflügel zu erkennen. 1917 hörte er von dem Kollegen Szyman Hens, der Probanden über die von Ihnen gefertigten “Klecks-Bilder” befragte. Dies inspirierte ihn dazu eine eigene Versuchsreihe zu entwickeln. Fünf symmetrische farbige und fünf schwarz-weiße Tafeln legte er 300 Patienten psychiatrischer Kliniken und 100 als gesund geltenden Menschen vor. Die Tafeln werden in einer bestimmten festgelegten Reihenfolge gezeigt, mit dem Hinweis, daß die Bildtafeln beliebig gedreht und gewendet werden können. Auf die Frage “Was könnte das sein?” und dem Hinweis, daß es keine falschen oder richtigen Antworten gibt, werden die Probanden gebeten, ihre Assoziationen zu dem Klecksbild zu nennen.

Die Auswertung der Formdeuteverfahren beruht auf einer von Rorschach behaupteten menschlichen Neigung, die eigenen Gefühle und Gedanken auf mehrdeutige Anreize zu projizieren. Die Häufigkeit von Deutungen nach Farbe, Form, Bewegung, Details oder Ganzem, Mensch oder Tier wurde entsprechenden Faktoren zugeordnet. Eine Deutung nach der Form wird als intelligenter, vielleicht zwanghaft genauer Charakter ausgelegt. Wenige Deutungen auf Bewegung weisen auf eine Depression hin. Rorschachs Analyseverfahren setzte sich in der Psychodiagnostik nach seinem Tod 1922 durch und hat Generationen von Psychoanalytikern geprägt.

J. MAYER H. bedient sich dieser Projektionen und entwickelt aus ihnen ein eigenständiges endloses Musterfeld. Seine camouflageartigen Datenmuster in der Ausstellung RE.FLECKS können wie die Bildtafeln von Rorschach vom Betrachter frei gelesen werden. Darüber hinaus laden sich die Tafeln in der Ausstellung bei magnus müller gegenseitig auf und treten in einen Dialog. Nicht nur das Spiel mit der Entwicklung der Formen und dem Zustand zwischen Zwei-, Drei- und Vier-Dimensionalität machen hier das Spannungsfeld der Deutungen aus. Wie schon Rorschach entwickelt J. MAYER H. eine Art pseudowissenschaftliche Disziplin, die in sich selbst ihre Regeln findet. J. MAYER H. entwickelt hieraus ein visuelles Spiel, bei dem es um die Aufdeckung des Versteckten und Verborgenen geht.

Der Prozeß des Sichhineindenkens in seine Architekturen bedient sich dieser Tafeln als einer Hülle, die in der Umsetzung zu Skulpturen ihr eigenständiges Leben entwickeln . Dies können wir auch in der Architektur JOH3 in Berlin wiederfinden, wo ein wolkenartiges, wellenartiges Endlosmuster die Fassade prägt oder Metropol Parasol in Sevilla, das an überdimensionierte Schirme erinnert. Das camouflageartige Datensicherungsmuster erfährt hier eine weitere Verwandlung und gelangt in der Umsetzung zur Architektur zu einer Auflösung der Ränder. Fehlstellen in den Fassaden wie auch in den Skulpturen von RE.FLECKS lassen Zwischenräume zu, die dem freien Interpretieren und Assoziieren Möglichkeiten geben. Eine Festlegung der Grenze zwischen dem Sichtbar- und Unsichtbarmachen, dem Materiellen und dem Immateriellen erscheinen nicht möglich und geben J. MAYER H.s Architekturskulpturen ihren ephemären Charakter.