Die Ausstellung ist die erste Einzelshow des in New York und Los Angeles lebenden Foto- und Videokünstlers in Deutschland. Seine „Camp O.J.“- Installation wurde kürzlich u.a. im Bayly Art Museum, Charlottes-ville, Virginia und im Laguna Art Mudeum in Laguna Beach, California gezeigt. 

Neidich, dessen Arbeiten außerdem letztes Jahr im Whitney Museum, New York gezeigt wurden, zeigt vier Projekte in Berlin:

“Shot-Reverse-Shot / Memorial Day“; 

„Beyond the vanishing point, L.A.“; 

„Remapping“ und 

„Being Prada Seen“. 

In seinen fotografie- und videobezogenen Arbeiten untersucht Neidich die komplexen Beziehungen zwischen Architektur, Film und Fotografie im Verhältnis zu einem sich wandelnden Beobachter. Im Mittelpunkt stehen dabei wahrnehmungstheoretische Fragestellungen; die Arbeiten verstehen sich als künstlerische Beiträge zu einer neuro-ästhetischen Theorie. Dabei bezieht sich Neidich auf die Überlegungen des amerikanischen Kulturkritikers Frederic Jameson. Laut Jameson erleben wir eine grundlegende Transformation des gebauten Raums selbst. Dieser wird mehr und mehr zu einem vielschichtigen, seine Materialität auflösenden Raum. Mit dem, was Neidich „relational space“ nennt, ist zum einen jener Cyberspace gemeint, in dem zwei Personen sowohl im selben Raum als auch weltweit zur gleichen Zeit miteinander kommunizieren können; zum anderen ist auch der neu strukturierte architektonische Raum gemeint, in dem verschiedenste Kontexte simultan wahrgenommen werden. 

Die menschlichen Subjekte, die in diesem neuartigen Raum leben, haben bislang jedoch nicht Schritt gehalten mit dieser Evolution: bis jetzt hat keine entsprechende Verwandlung im Subjekt stattgefunden, die der radikalen Transformation im Objekt gefolgt wäre. Noch verfügen wir nicht über eine adäquate Ausrüstung unseres Wahrnehmungs-apparates bzw. unserer neuronalen Strukturierung. Der erste Teil der Ausstellung bei müllerdechiara untersucht die Geschichte der Visualisierungstechnologien, die jede Kultur erfindet (und unter denen die „virtual reality“ nur die letzte Form ist) um optische Dispositive zu finden für ihre verschiedenen nicht direkt sichtbaren und immateriellen Verhältnisse, wie z.B. politische Komödien, soziologische Hierarchien, historische Bewegungen ebenso wie ästhetische Stile. 

„Shot-Reverse-Shot“ ist aus fünf Reihen von je fünf Bildern in rasterförmiger Anordnung zusammen-gestellt. In jeder der horizontal angeordneten Bilderreihen sitzen sich ein Mann und eine Frau gegenüber, deren Unterhaltung gefilmt wird. In einer parallelen Serie von Bildern wird die Videokamera durch ein Instru-ment aus der neurobiologischen Diagnostik, den sogenannten Prismenstab, ersetzt, der Abweichungen in den Augenbewegungen misst. 

Die Arbeit untersucht die Geschichte zweier parallel sich entwickelnden Visualisierungssysteme. Auf der einen Seite die Geschichte jener Apparate, die schließlich zur Erfindung der Kamera führten, auf der anderen Seite jener Instrumente, die für Gehirnuntersuchungen entwickelt wurden. Eine ausführlichere Ausstellung dieses Projekts wird im März diesen Jahres im Califor-nia Museum of Photography gezeigt werden. 

Der zweite Teil der Ausstellung bei müllerdechiara beschäftigt sich mit dem Beobachter/der Beobachterin selbst, wie er/sie mit dem gewandelten postmodernen Raum umgeht. In „Beyond the Vanishing Point, L.A.“ und „Remapping“ werden die in Spiegelglasfassaden reflektierten Ereignisse und Personen zu Bestand-teilen von Szenerien, in denen sich Wirklichkeit, Imagination und Virtualität verdichten. In dem Performancevideo „Being Prada Seen“ wird Neidich als ein mit der Marke Prada Sports bekleideter Rollerblader gefilmt, der durch New York City fährt. Das Video untersucht, wie Mode, besonders die von Prada, als Raum funktioniert, in dem politische, soziale und wirtschaftliche Elemente besonders leicht interagieren können. Das Videorohmaterial wurde mit einer extrem hohen Geschwindigkeit digitalisiert, so dass grob gerasterte Bilder entstanden. Architektur, Landschaft, Mode und Körper verschmelzen ineinander; die menschliche Gestalt verwandelt sich in eine Art Android in einem Videospiel.