interfacing:

1. Fläche; Berührungspunkte zweier Körper, Räume und Sätze 2. Fakten, Probleme, Betrachtungen, Theorien, die von zwei oder mehreren Disziplinen, Prozeduren oder Studienfeldern geteilt werden 3. gemeinsame Schnittlinie oder Verbindung zwischen Systemen, Ausstattungen, Konzepten oder Menschen 4. Kommunikation oder Interaktion 5. Ding oder Umstand, die eine effektive Koordination getrennter und manchmal inkompatibler Elemente ermöglicht 6. Ein gewebtes oder nicht gewebtes Material zur Verstärkung und Formgebung zwischen dem Innen- und Außenstoff eines Kleidungsstücks, zum Beispiel am Kragen oder am Aufschlag einer Jacke.

practices:

1. Eine gebräuchliche, regelmäßige Performance 

2. Gewohnheit oder Brauch 3. Eine wiederholte Performance oder systematische Übung, um eine Fertigkeit oder Qualifikation zu erhalten. 4. Ein Umstand, der durch Erfahrung und Übung erreicht wird. 5. Archaische Verschwörung, Intrige oder Betrügerei.Die Produktion eines Kunstwerks beinhaltet eine Reihe von bewusst oder unbewusst getroffenen Entscheidungen während des Herstellungsprozesses des Kunstwerks selbst oder während einer künstlerischen Auszeit in einem Café, einem Biergarten und manchmal sogar in der trunkenen Benommenheit eines Heureka-Moments, der sich am Ende eines Ideenflusses auf der Leinwand, in der Installation oder im Film manifestiert. Wenn sich diese Reihe von Entscheidungen in Regeln organisiert, wenn diese Regeln sich zu bestimmten Bedingungen formalisieren, die die Produktion eines Werkes bestimmen, und diese Gesetzmäßigkeiten dann wiederholt werden, sei es, dass sie aus dem Archiv des Künstlers selbst oder aus jenem allgemeingültigen der Kunstgeschichte entnommen sind, wird das Kunstschaffen zur Praxis.

“Interfacing Practices” fragte, warum gerade diese sechs künstlerischen Praktiken in einem Raum? Welche diagonalen Lesarten benutzt der Besucher, der den Ausstellungsraum besucht? Welche Magie entsteht, wenn sich die Erscheinung des Kunstwerks dem Herstellungsprozess unterordnet? Eine Prozedur, die in der Arbeit als ein wesentliches, tragendes Merkmal zu Tage tritt, das die Praxis aber in keiner Weise fetischistisch werden lässt. Heute gehen Künstler, im Gegensatz zu Clement Greenbergs Begriff der selbstreflexiven Modernität, in ihren Arbeiten über die Grenzen der materialspezifischen Kunstpraxis hinaus. Anstatt die Bedeutung der Malerei durch Malerei selbst zu begreifen, malen oder schaffen sie Kunstwerke, um soziale Netzwerke, Anthropologie, Archäologie oder Politik zu durchdringen. Die Ausstellung fragte also: Muss die Motivation für die Kunstpraxis nicht ein flexiblerer und vereinnehmenderer sein als der bloße Fokus auf Form, Farbe und Umriss?

“Interfacing Practices” zeigte sechs künstlerische Positionen von Frauen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. 

Elena Bajo, 6 Degress of Separation, 2007. Auf Flohmärkten und in Trödelläden gefundene Gemälde werden auf einem gemeinsamen Träger angeordnet - in diesem Fall eine größere Leinwand -, übermalt und mit silbernem Tape zusammengehalten, dazu kommen Spiegel und Fotografien gefundener Skulpturen, die Bajo auf Spaziergängen durch Berlin gefunden und aufgenommen hat. Als solche sind diese Gemälde eher Erinnerungen performativer Gesten, die als gleichzeitige Happenings in einer Collage auftreten.

Helen Cho, United by Chance, 2007. Verschieden farbige Karategürtel, die auf einen bestimmten Expertenstatus im Kampfsport verweisen, sind als kolorierte, vertikale Streifen in einer Ecke zweier Wände installiert. Dort verwickeln sich minimalistischer Formausdruck, optische Muster und Farbeffekte der Gürtel, die sich in ihrer Abschüssigkeit am Boden treffen und eine Matrix von verwobenen Texturen bilden, in der sich jegliche formale Bedeutung auflöst und sich stattdessen eine vielfältige Mehrheit bildet.

Tamar Guimarães, A Man Called Love, 2006. Irgendwo zwischen Dokumentarfilm, Diavortrag und Installation siedelt sich die Arbeit von Tamar Guimarães an, ein psychisches, politisches, soziales und psychologisches Forschungsprojekt der Geschichte und des Ursprungs eines Konflikts zu einer bestimmten Zeit in Brasilien. Es werden Bilder von Francisco Candido Xavier, einem brasilianischen Psychogeographen, von materialisierter Spiritualität, die in den 30er und 40er Jahren entstanden sind, sowie Abbildungen aus den späten 60er Jahren von Protesten gegen die mi- litärische Diktatur verwendet. Parallel dazu hört man die Erzählstimme der Künstlerin Charlotte McGowan-Griffin.

Mathilde ter Heijne, Experimental Archeology; Goddess Worship, 2006, Moon Rituals, 2007. Ter Heijnes zeitgenössische Keramikobjekte sind von archaischen Holzfeuerungen bei Vollmond-Opferritualen beeinflusst. Diese “wiedergeborenen” Rituale umhüllen alle Objekte mit der Aura des Gotteskultes, auf den sie vorgeblich referieren. Als solche sind sie die materialisierte Praxis, durch die sie selbst entstanden sind, und fungieren als Indizien kulturellen Gedächtnisses.

Maryam Jafri, Costume Party: Colony and Native, 2006. Der historisch-theatralische Pastiche wird als Drei-Kanal-Video-Projektion präsentiert, in der “backstage und on-stage” den zeitgenössischen kinematografischen “off- und on-screen” entsprechen. Als solche wird die Technologie nach Foucault zu einer Art “Diapositiv”, in dem diese zwei Methoden der filmischen Erzählung zu Mitteln der “Informationsbeschlagnahmung” oder –”festhaltung” instrumentalisiert werden. Wenn diese in Verbindung mit unserem Wissen von Geschichte verwendet werden, formen sie eine maschinelle Assemblage, in der die Gedanken der Subjekte und “seine oder ihre” Erinnerungen der Fokus dieser Instrumentalisierung werden, sozusagen eine Art biopolitischer Moment. Reale und imaginäre Angst sind die Vertretung für off-screen und on-screen, linke und rechte Bühnenseite, back- und on-stage.

Haegue Yang, Relational Irrelevance-Version Domestic Berlin, 2007. Das Arrangement häuslicher Elemente steht bei Yang für die Gesetzmäßigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen, die sie zusammenhalten. Im Falle eines Stuhles oder Tisches sind diese mehr als ein einfacher Platz für ein müdes Gesäß oder einen schreibenden Poeten. Sie verkörpern die Erinnerung an den Ursprung der Empfindsamkeit, die eine Verbindung zwischen Menschen hervorgerufen hat, die manchmal flüchtig sein kann. So auch die zwei Lichter, die sich in der jeweiligen Lichtenergie des Anderen sonnen. Mit der Zeit werden sie zur ergonomischen Wiederherstellung eines im Geiste geteilten “Gebäudes der Kontemplation”, eines menschlichen Naturgesetzes, durch das ein jeder von uns weiß, dass die Anderen denkende und empfindende Wesen sind. 

(Warren Neidich)